April – „Die Kraft der Gestaltung“
Der Ursprung dieses Monats leitet sich aus dem Lateinischen „aperire“ ab und bedeutet soviel wie
„öffnen“ (der Knospen) bzw. von „apricus“ sonnig. Im Germanischen trug er den Namen
„Ostaramonat“, von der Jugend- und Frühlingsgöttin Ostara, die als freude- und heilbringend
galt. Die Venus funkelte in ihrem leuchten Halsband als Morgen- und Abendstern. Unser Wort
Ostern ist ebenso davon abgleitet.
Zunächst einmal keimte im März durch die ersten wärmenden Sonnenstrahlen alles Leben hervor, weg
von den Wurzeln hin zum Licht, linear und vertikal nach außen strebend. Im April setzt nun eine
zweite Kraft ein, die diese stoßende Kraft nach außen biegt. Das ist die horizontale, dehnende
Kraft der Erde. Zusätzlich zum Längenwachstum findet nun gleichzeitig eine Vermehrung der
Wurzelkraft statt. Die Pflanzen gewinnen diese wertvollen Aufbaustoffe, die ihnen ein
gleichmäßiges Wachstum ermöglichen, aus dem Boden. Dafür benötigen sie feinste Sensorien und die
Gabe der Empfänglichkeit.
Es treten jetzt zu dem Ausbau des oberen und unteren Teils der Pflanze, der Halt, Stabilität und
Balance gewährleistet die individuellen Gestaltungs- und Formungskräfte hinzu. Der Geist der
Pflanze kleidet sich in vielfältigste Farben und Formen: die Blätter, die Halme werden dichter,
die Blüten öffnen sich prachtvoll und verströmen herrliche Düfte. An ihrer individuellen Gestalt
und Signatur erkennen wir jede Pflanze. All dies bildet ein Fest für die Sinne!
Es entsteht ein tiefes Bedürfnis nach Vereinigung und Erfüllung, sich ganz mit dem Leben zu
verbinden. Durch die Vorgänge im Pflanzen- und Tierreich wird uns deutlich, dass es jetzt um
Beziehung, Revier und Abgrenzung geht. Dazu gehört auch Kampfgeist, denn jedes Wesen will sich
im Irdischen verwurzeln und eine Heimat finden, wo es seine Kräfte beziehen und gestalten
kann.
Unsere Vorfahren bezeichneten den April auch als „Gladsheim“, was soviel wie „eingeladen,
willkommen“ bedeutete. So ist die Halle von Gladsheim voll leuchtenden Goldes, um die Gäste zu
beeindrucken. Ihr Herrscher und Sonnenritter Swalin, mit goldenem Helm und Schild, schützt die
Göttin der Erde, damit sie nicht zu Asche verbrennt. Das Leben kann sich somit ungehindert
entfalten und von der Himmelsburg strömen Frohsinn, Siegeskraft und Lebenslust hernieder. Die
Zeugungskraft der Sonne ist jetzt am größten und die großen Helden wie Siegfried galten als
„gehörnt“ was soviel wie erwachsen und zeugungsfähig bedeutete. Eine geheimnisvolle Kraft der
gegenseitigen Anziehung durchdringt die Natur. Der Frühling führt die harte männliche und die
weiche weibliche Kraft zusammen. Er bildet die Hochzeit der Fülle irdischer Kraft. Die
erwachenden Schöpfungskräfte werden einem Zweck zugeführt, sie sind nicht nur eine Spielerei der
Natur sondern bringen konkret neues Leben hervor. Nicht nur im physischen Sinne, sondern auch im
geistigen Sinne empfangen wir jetzt die stärksten Impulse zur Wandlungsbereitschaft, sei es alte
Gleise zu verlassen und neue Wege zu gehen oder kreative, künstlerische Impulse in die Tat
umzusetzen.
Das Tierkreiszeichen Stier galt stets als Zeichen der Himmelswächter. Sein Körperbau zeigt die
starke Verwurzelung mit der Erde und über seine Hörner hält er den Kontakt zum Himmel. Sie
gleichen Antennen und nehmen kosmische Strahlung auf, um die irdische Materie zu veredeln.
Typische Stiergötter sind Zeus und der Minotaurus.
Der Kreter Minos, der König werden will, bittet den Meeresgott Poseidon um ein mächtiges
Sonnentier als Opfergabe für die Götter. Er will dem Volk beweisen, dass ihm jeder Wunsch
erfüllt wird. Dieser schickt ihm einen göttlichen Stier, der so schön ist, dass der inzwischen
gekrönte Minos ihn behalten will. Er versucht die Götter zu täuschen und opfert einen Stier aus
seiner Herde. Poseidon rächt sich, indem er die Königin mit einem Liebeszauber behängt. Sie
verfällt dem Stier in sinnlicher Raserei. Daraus entsteht der menschenfressende Minotaurus, ein
Halbwesen aus Mensch und Tier, der in einem Labyrinth leben muss. Wenn das Göttliche, Höhere von
uns Menschen vergessen wird, dann verzerren sich die Wünsche ins Dämonische und das Göttliche
verliert seine Unschuld, da es dem irdischen Verlangen unterworfen wird.
Viele solcher Sagen und Legenden ranken sich um den Stier. Stets spielen reine Liebe, Begierde,
Sehnsucht nach Sinnlichkeit und Schuldgefühle eine zentrale Rolle. So auch in der Geschichte der
schönen Persephone, die zunächst ganz unschuldig auf der Frühlingswiese herrliche Blumen pflückt
und darauf von Hades (Pluto, der astrologisch dem Stier im Skorpion gegenüberliegt) in die
Unterwelt entführt wird.
Die Botschaft ist deutlich: wir können der Dunkelheit unseres Schicksals nicht entfliehen – sie
ist ein Bestandteil unserer Welt. Im Mythos um den Stier erkennen wir die Auseinandersetzung
zwischen Intellekt und Sinnlichkeit oder Bewusstem mit Unbewusstem. Das Versöhnliche und
Tröstliche kommt im Stiermythos der Aphrodite zum Ausdruck. Die schöne grazile Göttin Aphrodite
wird mit einem schwerfälligem Stier verbunden. Der Stier steht für das Körperliche während die
Göttin ein Symbol für die Seele ist. Sie steht für das schöpferische Potential, dem Bedürfnis
nach Schönheit und Kunst. Sie stellt die Energie dar, alte Verkrustungen aufzusprengen und
irdisches Begehren zu transzendieren, damit neues Wachstum möglich wird.
April
Betrachtet das Erwachen des Frühlings
und das Erscheinen der Morgenröte!
Die Schönheit offenbart sich denjenigen,
die betrachten.
Khalil Gibran