Juli – „Die Kraft der Ausstrahlung“


Der Name des Monats Juli geht auf Julius Cäsar zurück, den römischen Staatsmann und Feldherrn, dessen Geburtstag in diesem Monat lag. Der alte deutsche Name ist Heuet oder Heumonat, da im Juli die erste Heuernte eingebracht wurde. Andere alte Namen für den Juli sind Bären- oder Honigmonat. Die Getreidefelder werden gelbgolden und der Duft der Landschaft wechselt von saftig grünem Junigeruch in einen herbfrischen Eindruck von Stroh. Jetzt kann man die Farbe Gelb förmlich riechen und das sommertrockene Braun der Erde gibt morgens seinen typischen Duft von Ocker und Tau dazu. Das ist die Zeit, in der man die Ähren durch die Hand gleiten lässt.

Als Sommermonat steht der Juli im Zeichen des Feuers: was bislang als Sonnenstrahlen von der Erde gespeichert wurde, wird nun von ihr wieder abgestrahlt. Die Lichtintensität nimmt zwar wieder ab und die Tage werden kürzer, aber jetzt folgt die eigentliche Hitze. Die Glut der Sonne lässt Samen und Früchte heranreifen. Die Mutterpflanze stößt reife Körner und Samen ab, um eigenen Grund zu finden. Die Früchte hängen reif an den Bäumen und im Garten wird reichlich geerntet. Die Feuerkraft schließt die Nahrung für die Menschen auf. Das solare Prinzip bringt Leben zur Reife und spendet Kraft.
Dieser Kraftakt spiegelt sich in der Flora und Fauna wieder: Die Natur geht an ihre Grenzen, sei es in der Versorgung der Jungtiere oder in der Ausbildung der Blüten- und Fruchtstände. Dies kann Elterntiere und Mutterpflanzen schwächen. Unsere Vorfahren erschufen im Erkennen dessen mythische Bilder, in denen die Schwäche in der äußeren und die Stärke in der inneren Kraft dargestellt wurde. Der Riese Samson mit seinem sonnengoldenen Haar ist ein symbolhaftes Sinnbild der Sonnenkraft. Seine Geliebte Delilah schnitt ihm die Haare, wodurch er seine Kraft verlor. Wir finden auch Spuren in der christlichen Tradition, wo beispielsweise Johannes der Täufer sagt, seine Kraft müsse abnehmen, damit der kommende Messias heranwachsen könne.

Im Juni wohnte der König Baldur noch in der Himmelsburg „Breidablick“. Nachdem im Jahreslauf nun der Zenith überschritten ist, verlässt er nun die Erde und beginnt seine Fahrt zu Hel in die Unterwelt. In seiner Abwesenheit benötigt die Erde jedoch einen stellvertretenden König. Heimdal von Himmingsbiörg, was soviel wie Himmelsburg bedeutet, ist der neue Wächter, König der germanischen „Asen“. Er wacht darüber, dass weder die „feurigen Söhne von Muspelheim“ mit ihrer Glut alles ersticken noch die „Frostriesen“ nahen. Mit seinem Horn ist er in allen Welten zu hören und ruft zum Kampf auf, wenn „Surtr der Schwarze“ aus der Unterwelt erscheint. Solange ruht das Horn jedoch am Fuße des Weltenbaums.

Diese Bilder wollen uns zu erkennen geben, dass es darum geht, äußeren Glanz zu durchschauen und das innere Licht zu erkennen. Wir vermögen nicht immer im Außen zu leben, sondern bedürfen des Rückzugs, so wie König Baldur als Sonne in der ersten Jahreshälfte in seiner Kraft und Macht steigt, dann aber auf dem Höhepunkt (Sonnenwende) den Weg in die Unterwelt der Frostriesen antreten muss. Dieses Sinnbild des Sonnenlaufs verkörpert den Kreislauf des Seins: Werden - Vergehen, Leben und Tod an sich. Indem in der Himmelsburg ein Stellvertreter regiert wird deutlich, dass neben der sterblichen Welt zugleich eine unsterbliche existiert. So betonen wir ja auch, wenn jemand gestorben ist, dass das Leben weitergeht: das Lebensprinzip erschafft sich immer wieder neu.

Unsere Fähigkeit zur Inspiration und Phantasie kommt von der Mutter (Zeichen Krebs). Die Kraft und Macht diese in die Tat umzusetzen, kommt vom Vater (Zeichen Löwe). Der Löwe symbolisiert die geballte Stärke des Trieblebens: seine Großartigkeit und auch seine Gefährlichkeit. Während die Macht des Krebses im Inneren liegt, entsteht dort eher die Gefahr des absoluten Rückzugs bzw. der Frustration, wenn er sie vergebens im Äußeren sucht. So liegt die Gefahr des Löwen darin, dass seine Macht sich unbedingt im Äußeren durchsetzen will. Leicht können Ehrgeiz, Selbstherrlichkeit und Maßlosigkeit entstehen. Die Kräfte sind kaum mehr zu bändigen, wenn im Außen eine trügerische Mächtigkeit aufgebaut ist. Sie bringen entweder den Tod oder führen zur Entmachtung, Entzauberung und völligem Verfall der Kräfte.

Wir sind alle Sonnenwesen, möchten etwas verwirklichen, eine Ausstrahlung, einen Glanz erreichen, der auch nach unserem Tod zurückbleibt. Doch die Qualität des Monats Juli lehrt uns, dass die Macht der Hitze zwar stark, aber schon im Abnehmen begriffen ist. Die Sonne verliert an Kraft und symbolisiert den schwächer werdenden Vater. Unsere Vorfahren kleideten dies in Bilder, beispielsweise in Iwein, den Löwenritter, der über einen langen Zeitraum enorme Kräfte besaß, aber zu einer anderen Zeit kraftlos war.
In der griechischen Mythologie kämpfte Herkules mit dem nemeischen Löwen. Dieser Löwe war weder mit Kraft noch Gewalt zu besiegen, alle Waffen prallten an ihm ab. Um den Löwen zu fassen, benutzt er sein Knie – Sinnbild für die Fähigkeit, sich in Demut zu beugen und zur königlichen Würde aufzurichten. Dann presst er ihn an sein Herz, den Wohnsitz der Wahrheit, weil er erkennt, dass der Löwe Teil seines eigenen Herzens ist. Nur auf diesem Wege der Wahrhaftigkeit war der Löwe zu bändigen.
Das mythologische Bild des Löwen weist auf die Gefahr hin, dass der Mensch den Erfolg im Außen sucht, was auf Kosten des menschlichen Heil- und Ganz-Seins geht, wofür das fühlende Herz steht. Shakespeare nennt es die ewig gehetzte Suche nach der „Seifenblase Ruhm“. Sein Triebleben hält ihn an die Materie gefangen. „Der Jäger wird zum Gejagten“. So lehrt uns der Löwe, dass die Kräfte sich nur segensreich entfalten, wenn wir als lebendiger, wahrhaftiger Mensch tätig sind.



Licht ist Liebe


Licht ist Liebe. Sonnen-Weben,
Liebes-Strahlung einer Welt
schöpferischer Wesenheiten –

die durch unerhörte Zeiten
uns an ihrem Herzen hält,
und die uns zuletzt gegeben

ihren höchsten Geist in eines
Menschen Hülle während dreier
Jahre: da Er kam in Seines

Vaters Erbteil – nun der Erde
innerlichstes Himmelsfeuer:
dass auch sie einst Sonne werde.

Christian Morgenstern




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