November – „Die Kraft der Entwicklung“


Früher hieß der November „Nebelung oder Nebelmonat“. Die Bäume haben schon die meisten Blätter verloren. Die Natur wirkt durchsichtig, leer und kühl. Durch die Befreiung von aller äußeren Verhüllung werden Formen sichtbar, die seither verborgen waren. Die Bäume scheinen im Nebel wie Gerippe. Es herrscht Stille, fern scheint die Ahnung von der Sonne und des Lichts, die in Resonanz zu unserer inneren Sonne steht. Regen oder gar Schneeschauer ziehen in seiner Nässe und Schwere alles nach unten. Das Leben spielt sich jetzt im Bereich des Unterirdischen, Unsichtbaren ab. Der Stillstand und die Dunkelheit wecken in uns die Sehnsucht nach geistiger Heimat, innerer Wärme und Wahrhaftigkeit.
Der November lehrt uns demütig in der Welt zu leben, im Wissen um die höhere kosmische Kraft, aus der alles Sein hervorgeht. Die irdische Welt ist nur eine zeitgebundene Wohnstatt, denn alles Leben erneuert sich stets im Geistigen. So richtet sich unser Blick nach Innen und nach Oben oder vom Diesseits ins Jenseits. Die Sehnsucht nach Licht und Erneuerung ist besonders stark. Die Natur bereitet sich auf die Wintersonnenwende vor und wir ziehen uns in ein wärmendes Zuhause zurück, sammeln Kräfte im Inneren, um uns zu regenerieren.

Das astrologische Bildzeichen in diesem Monat ist der Schütze, der symbolisch oft als Zentaur dargestellt wird. Der Oberkörper ist der eines Menschen und der Unterkörper ist der eines Pferdes. Der Überlieferung nach sind diese Wesen heilsame Gestalten, die Oben und Unten verbinden. Sie sind aus einer Verbindung des Lichtgottes Zeus mit der Wolken und Wassergöttin Nephele hervorgegangen. Sie gehören sowohl der Ober- als auch Unterwelt an, was die Doppeldeutigkeit unterstreicht. Das zwiespältige Wesen des Zentauren, somit des Schützens, wird in der griechischen Symbolgestalt des Chiron deutlich, der von Anbeginn am Fuß verletzt ist und hinkt. Das Abbild einer winterlichen Gestalt, der das Gehen schwer fällt. Darin können wir erkennen, wie die Körperwelt, das Irdische, im Winter eingeschränkt ist und das Leben wie gefesselt erscheint.
Die Erkenntnis daraus ist, dass das Ego, das körperliche Ich, unweigerlich an die irdische Welt geknüpft und verletzbar ist. Das geistige oder höhere Ich vermag sich frei zu bewegen. Indem wir bildlich gesprochen, mit den Händen nach den Sternen greifen und mit beiden Beinen fest verwurzelt auf der Erde stehen, gelingt es dem Geist sich frei zu entfalten. Materie und Geist sind keine getrennten Wesenheiten, sondern zwei Ausdrucksformen einer Ganzheit. Das Wesen Chirons lehrt uns, dass jeder von uns sein Leben selbst vorbereitet und gestaltet. Alles, was an uns schicksalshaft heranströmt, gilt es anzunehmen, da es auf dem Weg zur Weisheit der eigenen Erkenntnis dient. Heilend wirkt das Wissen um die eigene Verletzlichkeit und um die eigene Fähigkeit, selbst zu verletzen.
Die Energie des Novembers mit seinem Zeichen des Schützens eignet sich ideal, über das Gesetz von Ursache und Wirkung nachzudenken. Die Erkenntnis kann heranreifen, dass uns Gedanken und Fragen nach Leben und Tod in unserer Entwicklung weiterbringen. Als Wandlungsstufen tauchen auf diesem Weg auch Schmerz, Leid und Sterben auf, die es als wertvolle Transformatoren anzunehmen gilt.




Im Herbst sammelte ich alle meine Sorgen
und vergrub sie in meinem Garten.
Als der Frühling wiederkehrte im April,
um die Erde zu heiraten,
da wuchsen in meinem Garten schöne Blumen.

Khalil Gibran




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