September – „Die Kraft der Harmonie“


Historische Namen für den September waren „Scheiding“ bei den Germanen und „Gerstenmonat“ bei den Angelsachsen. Im Volksmund hieß er „Altweibersommer“ oder auch „Herbstmond“.
Am 21. September ist die Tag- und Nachtgleiche bzw. der Herbstpunkt. Die Sonne steht in der Äquatorebene der Erde und geht an diesem Tag genau im Osten auf und genau im Westen unter. Astronomisch gesehen beginnt nun der Herbst: die Zeit des Abschieds, des Scheidens, der Sommer geht dahin. Dies vollzieht sich in prächtigen Farben. Im Frühling erleben wir die große Vielfalt der Grüntöne und jetzt die mannigfaltigen Gelb- und Rottöne. Am 21. März bedeutet der Frühlingspunkt die Öffnung der Pforte in die Oberwelt, der Welt des Sichtbaren und körperlich Fühlbaren. Jetzt öffnet sich das Tor zur Unterwelt, der Welt des Unsichtbaren und Geistigen. Die sonnige lichte Oberwelt gehört dem göttlichen Vater, die Unterwelt der göttlichen Mutter.

Unsere Vorfahren achteten auf besondere Zeichen. Wenn die Herbstwinde aufkommen, fliegen Teile von Spinnennetzen durch die Luft. Diese Spinnenfäden hießen früher „Mariengarn“ oder „Elfengespinst“ und galten als Fäden des Mantels der Göttin oder Himmelsmutter: diese lässt sie zurück, wenn sie in dieser Zeit in den Himmel entschwebt. Wie die Zugvögel in großen Scharen begibt auch sie sich in ein anderes Land, um im Frühling wiederzukehren. Eine alte Volksweisheit besagt, dass am 8. September zu Maria Geburt, alle Vögel aufbrechen. Die Schwalbe galt einst als Symbol für die Erdenmutter und für die Sonne.

Bei den Germanen hieß der September auch „Witumanoth“, was Waldmonat bedeutet. Der Wald war den Germanen heilig: in ihm lebte der Atem Gottes, jede Missetat wurde streng geahndet. Er galt als Förderer des fruchtbaren Regens und stand mit dem Wettergott in Verbindung. Man ging sehr vorsichtig mit der Waldrodung um. Es lebten Heilkundige und Seher in den Wäldern und auf den Lichtungen wurde Recht gesprochen, sozusagen in Gegenwart der Götter. Die Göttin des Waldes, Perharta, und der Naturgott Wotan, Anführer der wilden Hebst- und Winterstürme, wurden verehrt. Man versuchte, sie mit Gaben zu besänftigen.

In der Natur ziehen sich die Säfte der Pflanzen zurück und erreichen die Blätter nicht mehr. Das Welken des Laubes beginnt. Es stirbt nicht einfach ab, sondern vollzieht im Sterbeprozess ein letztes Aufleuchten. Ein Glühen in allen Feuerfarben – das Verströmen der letzten physischen Energien.
Eine Stimmung von feierlichem Ernst und Erhabenheit entsteht. Für die Waldtiere fallen Eicheln, Bucheckern und Früchte von den Bäumen. Pilze schießen aus dem Boden und es reifen nun Früchte wie Obst und Beeren aus. Das bisher Saure, das für Aktivität und Aggression steht, verwandelt sich in eine wohlige Süße, die einhüllend wirkt.

In der Himmelsburg „Glitnir“, was soviel wie „glänzender Saal“ bedeutet, dem Ort wo Recht gesprochen wurde (was eng mit dem Symbol der Waage verbunden ist) herrschte stets Leichtigkeit und Fröhlichkeit. Die Sage berichtet, dass der oberste Richter „Forsete“ dort residierte und niemanden aburteilte, sondern stets um Vergleich und Ausgleich bemüht war. So verließen alle Rechtssuchenden stets versöhnt und friedlich die Burg. „Forsete“ steht für die Kraft, sich in den anderen hinein zu denken und Teil von ihm zu werden, was eine wesentlich Grundlage von Beziehungsfähigkeit darstellt. In der Herstellung einer gemeinsamen Grundlage liegt die Lösung. Nicht im Trennen und Urteilen.

Wir finden im September das astrologische Bildzeichen der Waage, die im alten Ägypten als Instrument des Hades, des Totenreiches galt. Die Göttin der Wahrheit, „Maat“, Richterin des Totenreiches, pflegte die Herzen der Verstorbenen zu wiegen. Sie legte eine Feder auf die eine Waagschale – oder gar sich selbst, als Zeichen der Leichtigkeit einer reinen Seele – und auf die andere das Herz des Verstorbenen. Dieser musste all seine Sünden beichten. Dabei wurde seine Seele gewogen. War diese nicht schwerer als die Feder war das Urteil günstig.

In der Jungfrau konnten wir die Orientierung an den vorgegebenen Naturgesetzen entdecken. Im Zeichen der Waage finden wir etwas zutiefst Menschliches: die Ethik. Wir reflektieren unser eigenes Wirken in Bezug zum Ganzen, sei es in der Familie, der Gesellschaft oder dem Kosmos. Wobei mit der Totenwaage der Ägypter nicht das Gehirn (zuständig für abstrakte Gesetze sowie die Festlegung von Gut und Böse) gewogen wurde, sondern das Herz wird an der Feder gemessen, die auch ein Symbol des Lichtes und Geistes ist.

Viele Mythologien beschreiben zwei Aspekte der Waage, die unser Leben ausmachen: unsere Suche nach der Vereinigung mit dem Höchsten und der Täuschung, der wir hierbei unterliegen. Sie bringt uns in Kontakt mit unseren Schattenseiten und prüft wie wir dem Du begegnen und uns von ihm berühren lassen. Für eine echte Begegnung müssen wir unsere eigenen dunklen Seiten kennen: die Arbeit an uns selbst schafft die Möglichkeit, auf einer neuen und höheren Ebene die wahre Liebe wiederzufinden. Die Überwindung der Dualitäten und der Ausgleich von Gegensätzen fordert uns immer wieder heraus zu überprüfen, was an uns selbst echt ist und was im Angesicht des Höchsten Bestand hat. Das Gesetz von Ursache und Wirkung zeigt sich im Sinnbild der Waage. Sich mit dem eigenen Schicksal zu versöhnen, mit der Herkunft und dem Erbe, das wir angetreten haben, ist der höhere Sinn unseres Daseins. Bedingungslos das Zukünftige willkommen zu heißen, wichtige Entscheidungen zu fällen, die Konsequenzen zu tragen, dies alles kann uns zu einer höheren Bewußtseinsebene führen.



September-Morgen


Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumet Wald und Wiesen:
Bald siehst du wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
In warmen Golde fließen.

Eduard Mörike




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