Januar – „Die Kraft der Intuition“
Nun herrscht die Hochzeit des Winters: Unter Eis und Schnee liegt die Natur begraben. Die
kristallinisch-mineralisch harten Kräfte bestimmen die Landschaft. Früher hieß der Monat Januar
deshalb auch „Hornung“ oder „Hartung“. Die Härte, die im Sinnbild der Axt dargestellt wurde,
auch ein Symbol der Potenz darstellte, brachte ihm den Namen des Axt- oder Dorngottes, der das
Jahr spaltet, damit neues Leben entstehen kann. In der römischen Mythologie galt der
doppelgesichtige Gott Janus als Türgott und Türöffner für das neue Jahr.
Die Germanen feierten am 14. Januar das Mittwinterfest, an dem Opfer für Frieden und und ein
gutes Jahr dargebracht wurden. Dieser Tag galt als „Sonnenstrahlentag“, an dem der Junge weiße
Jahresgott mit seiner Axt auf einer Lichtbarke nahte. Er steht für den Anfang des Lebens, das
heißt für die Erschaffung des Menschen („manu“) aus den Naturkräften. Im Gegensatz zur Genesis
des Alten Testaments begann das menschliche Leben bei den Germanen mit drei Frauen. Im Zuge der
Christianisierung wurde aus den drei Frauen dann die drei Könige des Morgenlandes, die dem
Christuskind huldigten.
Trotz aller Kälte ist der Januar ein Lichtmonat mit klarer Luft und tausendfach glitzernden
Eiskristallen im gleißenden Licht der allmählich wieder aufsteigenden Sonne. Noch sind die
Nächte lang und ergänzen die herrlich blauen Wintertage mit ihrem klaren Sternenhimmel. Vor
allem leuchten jetzt die Sternbilder Orion, der große Hund mit dem hellsten aller Fixsterne, dem
Sirius, sowie die Zwillinge. Der Himmel wirkt zum Greifen nah.
Im Laufe des Januars beginnen sich die Säfte in den Bäumen wieder zu regen. Die Natur ist schon
aktiv, wenngleich für unser Auge noch unsichtbar. Die Macht des erneuernden Frühlings wächst
schon heran.
Die Kühle und Klarheit des Monats steht für metaphysische oder spirituelle Lebenshaltung. In der
Form der Kristalle drückt sich die verborgene Grundstruktur aller Dinge aus, die letztlich ihre
Ursache im Geistigen haben. An Stelle des Intellekts tritt die Intuition.
Dies zeigt sich auch im astrologischen Tierkreiszeichen des Wassermanns, der aus seinen Urnen
das Lebenswasser fließen lässt und dem Element Luft zugeordnet ist, wiederum Sinnbild für das
Geistige. Die Intuition und Originalität wachsen nun heran. Das Bildzeichen des Wassermanns
besteht aus zwei Wellenlinien und entspricht dem alten Wasser - Ideogramm. Es stellt zwei
Wasserschlangen oder eine gehörnte Schlange dar. Die Hörner symbolisieren die zwei Mondsicheln.
Es handelt sich um eine Schlange, die im Wasser und am Land leben kann. Im germanischen Glauben
war dies die Ringelnatter, die manchmal auch mit einer goldenen Kugel im Maul abgebildet wird,
Sinnbild des Sonnenjahres. Die Vereinigung der Gegensätze zeigt sich im Wassermannsymbol, dem
ständig fließenden Lebensstrom.
Unser Weg in der menschlichen Welt ist ein ständiges Bemühen die dualistischen Kräfte ins
Gleichmaß zu bringen, da wir uns nach dem Einssein sehnen. Durch die Axt entsteht nicht nur die
Zweiheit, die Welt der Dualität sondern auch eine Öffnung des Bewußtseins: die Möglichkeit
anstatt des unbewussten Einsseins (Paradies) das Ewige (Lebenswasser) bewusst zu erleben. Die
Ahnung dieser Naturgesetze treibt uns voran. Wir können die Glückseligkeit nicht besitzen, sie
entsteht indem das Wasser des Lebens ständig neu verschenkt wird. Das könnte für unseren Alltag
bedeuten nicht zuviel materielle Güter anzuhäufen bzw. an ihnen zu verhaften, sondern immer
wieder durch Großzügigkeit, die Freude des anderen als wahre Glückseligkeit zu erleben.
Im Winterboden schläft, ein Blumenkeim,
Der Schmetterling, der einst um Busch und Hügel
In Frühlingsnächten wiegt den samtnen Flügel;
Nie soll er kosten deinen Honigseim.
Wer aber weiß, ob nicht sein zarter Geist,
Wenn jede Zier des Sommers hingesunken,
Dereinst, von deinem leisen Dufte trunken,
Mir unsichtbar, dich blühende umkreist?
Eduard Mörike